Erhöhte Leberwerte sind ein Häufiger Befund in der Hausärztlichen Praxis und können ganz unterschiedliche Ursachen haben. Um den möglichen Spätfolgen wie Leberzirrhose oder Leberkrebs vorzubeugen, ist es wichtig, dass die Ursache erhöhter Leberwerte Frühzeitig abgeklärt und eine entsprechende Behandlung eingeleitet wird.

Viele Erkrankungen der Leber und der Gallengänge werden erst sehr spät erkannt, da ihre Symptome unspezifisch sind. Dazu gehören Müdigkeit, Druckgefühl im Oberbauch, Appetitverlust, Übelkeit, Verdauungsprobleme, Juckreiz oder Gelbsucht. Häufig lassen sich im Frühstadium von Leber-und Gallengangserkrankungen jedoch erhöhte Leberwerte im Blut nachweisen (Gamma-GT, GPT, GOT, evtl. auch AP und Bilirubin). Neben den Laboruntersuchungen und dem Ultraschall spielen im diagnostischen Algorithmus auch die Endosonographie und die ERCP (siehe unten) eine Rolle. Ziel ist es, die Ursache erhöhter Leberwerte zu identifizieren und eine spezifische Therapie einzuleiten, bevor Spätschäden entstehen.

Mögliche Ursachen erhöhter Leberwerte

Die Ursachen für erhöhte Leberwerte sind vielfältig. Sie können harmlos, schwer oder sehr ernst sein. In der Abbildung 1 sind die häufigsten Ursachen von Lebererkrankungen dargestellt. Diese Krankheitsbilder können nicht nur zu einer Erhöhung der Leberwerte führen, sondern im Spätstadium auch in eine Leberzirrhose (Vernarbung und Funktionsverlust) oder gar in Leberzellkrebs münden.

 

Abb1: Ursachen von Lebererkrankungen

Abklärung erhöhter Leberwerte

Eine gezielte Erhebung der Krankengeschichte ist nach wie vor ein wichtiger Schlüssel zur Diagnosefindung. Zudem sind zahlreiche Befunde wie Gelbsucht, Bauchschmerzen, Bauchwasser und Übergewicht wertvolle Hinweise auf die Ursache und den Schweregrad des Leberschadens. In der weiteren Abklärung können neben laborchemischen Analysen folgende Untersuchungen notwendig sein:

  • Ultraschall der Leber mit Bestimmung der Elastizität der Leber (Elastographie): Dabei werden folgende Fragen beantwortet: Sind die Gallengänge erweitert? Liegen Gallenblasensteine oder Gallengangssteine vor? Hat der Patient einen Tumor oder Metastasen? Leidet er an einer Fettleber oder einer Leberzirrhose?
  • Endosonographie (endoskopische Ultraschalluntersuchung) insbesondere der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) und der Gallengänge: Mit einer Endosonographie lassen sich Gallengangssteine, ein Gallengangstumor und Pankreaskrebs erkennen. Sie ist die Methode mit der besten Auflösung für das Pankreas. Bei unklaren Pankreastumoren kann sie auch zur Probeentnahme eingesetzt werden.
  • ERCP (endoskopisch retrograde Cholangiopankreatikographie): Diese endoskopische Methode ermöglicht unter Verwendung von Kontrastmitteln die Röntgendarstellung der Gallenwege, der Gallenblase und des Pankreasgangs. Gleichzeitig können mit ihr auch therapeutische Eingriffe durchgeführt werden (vgl. Abb. 2). Dazu gehören die Entfernung von Gallensteinen, die Probeentnahme von Tumoren im Gallengang und die Stentanlage (Röhrchen zur Ableitung von Galle) bei Gallenstau und Gelbsucht.
  • Leberbiopsie: Lässt sich die Ursache der erhöhten Leberwerte in der stufenweisen Abklärung nicht eruieren, ist eine Leberprobeentnahme mit einer Nadel unter lokaler Betäubung sinnvoll.

Mikroskopisch kann in der Leberprobe die Ursache der erhöhten Leberwerte identifiziert werden.

Abb.2: ERCP bei einem Bauchspeicheldrüsentumor und Gallenstein

Fettleber

Die Fettlebererkrankung ist die häufigste chronische Leber-erkrankung in Europa. Rund 30% der Bevölkerung sind davon betroffen (Tendenz steigend). Zu den Risiko-faktoren gehören Übergewicht, Diabetes mellitus und die Fettstoffwechselstörung. Da die Erkrankung in bis zu 20% der Fälle über eine Fettleberentzündung bis zur Leberzir-rhose und zum Leberzellkrebs fortschreiten kann, ist die Identifizierung von Risikopatienten von grosser Relevanz. In über 90% der Fälle lässt sich eine Fettleber mit einem Bauch-Ultraschall diagnostizieren.

Gallenstau und Gelbsucht

Die Galle wird in der Leber gebildet und über die Gallen-wege/Gallenblase in den Zwölffingerdarm abgegeben, wo sie die Verdauung unterstützt. Ein Gallenstau kann innerhalb der Leber durch Medikamente, Hepatitis B, C, D oder Alkohol und ausserhalb der Leber durch Gallengangssteine oder Tumore verursacht werden. Durch den Rückstau der Galle droht die Entstehung einer Gelbsucht, die zu einer Gelbfärbung von Haut und Augen sowie zu Juckreiz führt.

Gallensteine

Sind Gallensteine die Ursache der Gelbsucht, werden die Steine aus der Gallenblase in die Gallengänge gespült, wo sie den Abfluss blockieren und bei der Passage der Gallen-gänge kolikartige Oberbauchschmerzen (Gallenkoliken) verursachen. Ein Steinverschluss in der Vater‘schen Papille kann als Komplikation eine gefährliche Bauchspeichel-drüsenentzündung hervorrufen, ferner auch eine Gallen-gangsentzündung mit der Gefahr einer Blutvergiftung. Gallengangssteine müssen in der Regel nach Spaltung der Papille mittels ERCP entfernt werden. Bei mässigem oder geringem Verdacht auf Gallengangssteine sollte vorher immer die endoskopische Ultraschalluntersuchung (Endosonographie) zum Nachweis oder Ausschluss von Gallengangssteinen eingesetzt werden. Nach der endoskopischen Entfernung der Gallengangssteine erfolgt innerhalb von sechs Wochen die chirurgische Gallenblasenentfernung. Steine in der Gallenblase (im Unterschied zu den Gallen-gängen) verursachen meist keine Symptome und müssen nicht entfernt werden. Das betrifft 70% der Steinträger.

Gallengang- oder Bauchspeicheldrüsenkrebs  

Wenn die Gelbsucht ohne Gallenkoliken auftritt und eine Erweiterung der Gallenwege vorliegt, wird mittels Ul-traschall und Endosonographie nicht selten eine Verengung der Gallengänge durch einen Gallengang- oder einen Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostiziert. Auch in diesen Fällen wird, vor allem bei erhöhten Entzündungszeichen, unmittelbar eine ERCP durchgeführt und der Gallenstau aufgrund der drohenden Komplikationen (Gallengangsentzündung und Blutvergiftung) mit einem Stent behoben. Falls die ERCP aus anatomischen Gründen, z.B. nach Operationen am Magen, nicht durchführbar ist, muss der Patient einer PTCD zugeführt werden (perkutane transhepatische Cholangiodrainage). Dabei wird die Leber durch die Haut punktiert und der Gallenfluss mithilfe einer Drainage wieder gewährleistet. Beide Verfahren ermöglichen nicht nur die sichere Diagnose, sondern in gleicher Sitzung auch die therapeutische Intervention. Ob der Patient mit einem Tumor operiert werden kann bzw. welche Behandlung sonst die bestmögliche Therapie darstellt, wird an einem interdisziplinären Tumorboard erörtert. Anschliessend wird das weitere Vorgehen unter Berücksichtigung der Wünsche des Patienten festgelegt.

Beitrag von Prof. Dr. med. Hasan Kulaksiz, Facharzt für Allgemeine Innere Medizin und Gastroenterologie.